Sonntag, 15. August 2010

Ich wusste, dass ich Ablenkung brauchte. Und ich wusste auch, dass 'Training' schon seit ungefähr einer Woche rot unterstrichen ganz oben auf dem Terminplaner stand. Papa hatte sogar schon vier Ausrufezeichen dahintergesetzt, weil ich es immernoch nicht für notwendig hielt, dem Ganzen Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hatte heute Mittag sowieso nichts besseres vor und es erschien mir ganz gut, mal wieder den Schläger in der Hand zu haben. Außerdem gings mir nicht besonders berauschend. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich Gregor dankbar für seine inneren Monologe und die Kommentare, die er immer zum Besten gab. Ich war nicht besonders aufmerksam, um ehrlich zu sein. Alle zehn Minuten brummte ich ein 'Ja' oder 'Hm'. Das wars. Ich schnappte nur einige Wortfetzen auf. Er erzählte irgendwas von meinen Videoaufnahmen (die aus Ense. Kein Plan, wie alt DIE sind), von Technik, Ausdauer .. Der ganze Quatsch. Außerdem über irgendwelche Qualifikationen und er kramte sogar die Fehler von den Westdeutschen in Ense wieder raus, die ich damals gemacht habe. Das ist drei Jahre her. Auf Fragen ging ich meistens nicht ein. Ich bekam sie eh nie mit. Und wenn, dann nur zur Hälfte.
''Bist du schlecht drauf oder denkst du nach oder was ist los?'' Er musste die Frage zwei Mal stellen, damit ich schalten konnte. ''Hm. Ich denk nur ein bisschen nach.'' Er sah mich kurz mit diesem Gregorblick an, der verriet, dass er zwar lieber Leistung sehen würde als irgendwelche nachdenklichen Mädchen, die nach einer Stunde auf der Bank sitzen, um erstmal was zu trinken, aber andersrum verriet dieser Blick heute auch, dass er es mir nicht übel nahm. ''Ja, nachdenken muss auch mal sein.'', sagte er und zwinkerte mir zu. Ich war froh, dass er es dabei beließ. Generell liebte ich Gregor dafür, dass er nichts hinterfragte. Solange solche Tage nicht zu oft vorkamen, ließ er mich in Ruhe und ich ließ ihn in Ruhe. So kamen wir super miteinander aus.
Ich war nicht die Gesprächigste bei ihm. Warum, weiß ich selber nicht so genau. Vielleicht lag es einfach daran, dass man kaum dazwischen kam. Er redete so viel. Und er sah dabei immer aus als würde er angestrengt über irgendetwas nachdenken, während er mir die richtigen Bewegungen zeigte oder sich über meine Technik aufregte, wenn wir einen schlechten Tag erwischt hatten. Manchmal, wenn Timo dabei war, lachten wir heimlich über ihn. Was natürlich nicht fair war, weil beide meine Trainer sind. Aber es war sooo witzig.
Am witzigsten ist es, wenn Gregor von seiner Vergewaltigung erzählt. Er ist der festen Überzeugung, dass er vergewaltigt wurde. Timo, Hannah und ich liegen immer unter den Tischen, wenn das Thema kommt. Weil wir nicht anders können. Es erscheint so unlogisch, dass eine Frau einen Mann vergewaltigt. Vorallem jemanden wie Gregor ..

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